Das Grollen vom Wilden See

Der Wilde See in den Pfunderer Bergen hält, was sein Name verspricht, und dies in mehrfacher Hinsicht. Auf einer Höhe von 2.538 m ü. d. M. gelegen, zeigt er sich zu jeder Jahreszeit berauschend schön in einer weitgehend unberührten Südtiroler Berglandschaft. 

Warum ich den Wilden See so liebe…

Seit meiner Kindheit kenne ich den See. Und dennoch überrascht er mich stets aufs Neue. Im Juni erwarten mich meist noch schwimmende Eisschollen auf dem grünblauen und eiskalten Wasser. Vereinzelt liegen Schneefelder an den Hängen des Seeufers. Im Hochsommer hingegen spiegeln sich die umliegenden Berge, darunter die mächtige Wilde Kreuzspitze, auf der stillen Wasseroberfläche. 

Spuren des Winters: Eisschollen und Schneereste
Der Wilde See mit der Wilden Kreuzspitze im Hintergrund

Ewige Verdammnis im eiskalten Wasser

Nicht immer jedoch zeigt der Wilde See sein freundliches Gesicht. Wenn sich das Wasser dunkel färbt und die ersten Wolken zwischen den Bergen hängen, dann wird es unheimlich am See. Der Wind wirbelt als Vorbote des Gewitters die stille Wasserfläche auf, und ich glaube es tatsächlich zu hören: das sagenhafte Grollen des Wildes Sees. 

All die Geschichten von früher sind plötzlich wieder da. Die Sage vom Mörder aus Schabs, der seit der Zeit der Tiroler Kriege gegen die Franzosen im eiskalten Wasser des Sees die „Kalte Pein“ erleidet. Oder die Erzählungen von unehrlichen Sennern, die mit Wasser die Milch verdünnten und zur Strafe hierher verbannt wurden. Aus der Tiefe des Sees steigt ihr Grollen empor. Es ist höchste Zeit für den Abstieg! 

Dunkles Wasser und graue Wolken – kurz darauf kam der Hagel.

Murmeltiere und blühende Wiesen

Nicht nur der Wilde See selbst in ein lohnendes Wanderziel. Schon der Aufstieg ist äußerst abwechslungsreich. Ausgehend von der Fane Alm, einem kleinen Almdorf auf 1.739 m oberhalb von Vals, führt mich der Weg zunächst durch eine urige Felsenschlucht, die so genannte Schramme. Aus dem kleinen Steig meiner Kindertage ist inzwischen ein breiter, gesicherter Weg geworden, der sich bis zur Labisebenalm hinzieht. Dahinter schlängelt sich ein Steig durch grüne Wiesen nach oben. Nur auf den letzten Metern bis zum Wilden See geht es neben mir steil nach unten – eine Passage, die jedoch durch ein Drahtseil gesichert ist. 

Ein neugieriges Murmeltier

Ganz alleine bin ich auf dem Weg nach oben selten. Auch wenn ich nicht jedes Mal ein Murmeltier zu Gesicht, geschweige denn vor die Kamera bekomme – hören kann ich ihre schrillen Warnpfiffe allemal. Sie allein durchbrechen die Stille in den Pfunderer Bergen.

Der Weg zum Wilden See führt durch die Schramme, eine Felsenschlucht oberhalb der Fane Alm.

Zum Weiterlesen

Hanspaul Menara / Josef Rampold, Südtiroler Bergseen. Ein Bildwanderbuch, Bozen 1974 (Verlagsanstalt Athesia Bozen) 


Wandermöglichkeiten zum Wilden See

Ausgangspunkt für eine Wanderung zum Wilden See ist die Fane Alm in Vals. Der Aufstieg von der Fane Alm (1.739 m) über die Labisebenalm (2.138 m) zum Wilden See (2.538 m) dauert etwa zweieinhalb Stunden. Die Zufahrt zum Parkplatz wenige hundert Meter vor der Fane Alm ist nur morgens und abends möglich. Tagsüber verbindet ein kostenpflichtiger Shuttlebus den Parkplatz am Talschluss mit der Fane Alm.

Variante für den Abstieg: Vom Wilden See aus ist auch eine Rückkehr über den Marblsee und einen steilen Abstieg über die Aschila-Alm zur Fane Alm möglich.

Verlängerungen der Tour: Wer die Tour je nach Wetterlage und eigener Kondition verlängern möchte, kann vom Wilden See aus zum Rauhtaljoch aufsteigen und an der Rückseite des Jochs über die Brixner Hütte zur Fane Alm zurückkehren. Vom Rauhtaljoch führt außerdem ein Steig auf die Wilde Kreuzspitze (3.132 m).

Exakte Beschreibungen der verschiedenen Touren mit den Markierungsnummern der Wege, mit Angaben zum Höhenprofil und zu den Gehzeiten findest Du auf der Seite alpenvereinaktiv.com des DAV, ÖAV und AVS.

Für aktuelle Auskünfte zum Parkplatz in Vals, zu den Fahrtzeiten und Kosten des Shuttledienstes zur Fane Alm, zu den Einkehrmöglichkeiten und Öffnungszeiten der Berghütten oder zur Beschaffenheit der einzelnen Wege wende Dich an das Informationsbüro der Ski- und Almenregion Gitschberg Jochtal (gitschberg-jochtal.com).

Haftungsausschluss: Alle Angaben zur Wanderung wurden sorgfältig geprüft. KulturSuedtirol übernimmt keine Haftung für Unfälle oder die Richtigkeit der Angaben. Die Verwendung der von KulturSuedtirol bereit gestellten Informationen erfolgt auf Risiko jedes einzelnen Wanderers. KulturSuedtirol empfiehlt jedem, sich vor Beginn der Tour selbst über die aktuellen Wetterverhältnisse und den Schwierigkeitsgrad der Wanderung zu informieren und selbst einzuschätzen, ob die geschilderte Wanderung der eigenen Kondition und Erfahrung entspricht.


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Eine Sonntagswanderung auf der Seiser Alm

Die Seiser Alm an einem Sommerabend.

Was für eine Aussicht!

Der Satz fällt unweigerlich, wenn man Compatsch auf der Seiser Alm erreicht. Das Hochplateau liegt ausgebreitet wie ein tiefgrüner Teppich auf 1.800 Metern über dem Meeresspiegel, umgeben von – ja, der Ausdruck ist hier durchaus erlaubt – majestätisch thronenden Bergriesen. Ein Hochgenuss!

Ein herrliches Spiel aus Weite, Farbe und Höhe – die Seiser Alm an einem Sommerabend.

Als sich der Wanderweg langsam, aber sicher der 2.000er Marke nähert und wir die letzten Hotels des Hochplateaus hinter uns lassen, wird einem einmal mehr bewusst: Der Weg ist das Ziel!

Die Seiser Alm an einem Sommerabend.
Hier entlang: Von Compatsch Richtung Puflatsch.

Es geht weiter, gemächlich zeichnet der Weg die Silouette des Berges nach, Compatsch wirkt immer ferner. Still wird es, der Wind rauscht einem um die Ohren.

Und die Wolkenformationen? Schlicht beeindruckend, wie sie über unsere Köpfe streichen, wie sie um die Berggipfel wehen, so fern und doch zum Greifen nahe!

Die Seiser Alm an einem Sommerabend.
Blau, grün, grau – immer anders. Immer beeindruckend schön.

Nach jeder Biegung eine neue Perspektive, ein neuer Blau- oder Grünton. Kuhglocken, das Knirschen der Wanderschuhe auf dem Weg, der Geruch von Gras und Weite. Ja, genau so entsteht ein Rhythmus für Auge und Ohr, den man so schnell nicht wieder vergisst.

Könnte das nicht ewig so weitergehen?


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„Gesichter zweier Partnerstädte – Regensburg und Brixen“ nun auch auf Italienisch

Un ringraziamento a RAI Alto Adige! Heute Abend wurde unser Film "Gesichter zweier Partnerstädte – Regensburg und Brixen…

Gepostet von Benjamin Zwack, MBA – zwack.marketing am Sonntag, 12. Juli 2020

Die beiden Partnerstädte Ratisbona/Regensburg und Bressanone/Brixen kommen sich nun auch auf Italienisch ein Stückchen näher.

Im Juli hat RAI Alto Adige erstmals die italienischsprachige Fassung des von Johanna Bampi und Benjamin Zwack gemeinsam mit Sorafilm Brixen produzierten Films ausgestrahlt.

In deutscher Sprache wurde die 45-minütige Dokumentation im November 2019 erstmal im Rahmen einer Filmpremiere im Brixner Astra-Kulturzentrum der Öffentlichkeit vorgestrahlt und wenig später im Programm von RAI Südtirol gesendet. Der Film entstand anlässlich des 50. Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen Regensburg und Brixen.

Die italienische Fassung unter dem Titel „Bressanone e Ratisbona – Storie di due città gemelle“ ist 30 Minuten lang und hat ihren Sendeplatz im Programm „Passepartù“ gefunden. In der Mediathek von RAI Alto Adige ist er in Kürze auch online abrufbar.

Guten Morgen aus Südtirol!

Ein Sommermorgen in Südtirol

Früh aufstehen lohnt sich! Genau so sieht es aus, wenn schon vor 5:00 Uhr in der Früh der Wecker klingelt. Der Weg führte uns vor einigen Tagen nach Spinges bei Brixen, um einen Sommermorgen hautnah zu erleben. Um 6:02 Uhr war es dann soweit – aber schau am besten selbst!


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Sterzing: Zwischen Altstadt und Neustadt

Wer heute in Sterzing Halt macht und zwischen engen Gässchen, massiven Kirchenmauern und stattlichen Patrizierhäusern die Innenstadt sucht, also das, was andernorts die „Altstadt“ ist, wird in der Neustadt das pulsierende Herz der Stadt finden. 

Historische Patrizierhäuser in der Neustadt

In der Neustadt von Sterzing reihen sich stattliche Patrizierhäuser mit ihren farbig getünchten Fassaden und den schlanken Erkern aneinander. Schmiedeeiserne Wirtshausschilder verweisen auf ehemalige und bestehende Traditionsgaststätten mit Namen wie „Flamme“, „Goldener Adler“, „Lamm“, „Post“, „Goldenes Kreuz“ oder „Goldene Lilie“.

Hier befindet sich seit mehr als 500 Jahren das Rathaus der rund 7.000 Einwohner zählenden Stadt – ein imposantes Eckhaus, das der Bürgermeister und der Rat im Jahr 1468 zu diesem Zweck erwarben. Den zweigeschossigen Erker, der durch seine Position am Eck des Hauses besonders viel Licht ins Innere lässt, zieren fein ziselierte Wappenreliefs. Eine Besonderheit stellt das in Stein gehauene Gesicht eines bärtigen Mannes dar. Schließlich ist mittelalterliche Bauplastik in Südtirol selten anzutreffen. 

Sterzings Neustadt im Sommer 2020
Foto: Johanna Bampi

So neu ist die Neustadt doch nicht

Sterzings Neustadt weist somit, anders als der Name suggerieren mag, ein stattliches Alter auf. Einst war sie von einer Stadtmauer umgeben, welche wohl in den 1280/90er Jahren unter Graf Meinhard II. von Görz-Tirol erbaut worden war. Und das gewiss nicht von ungefähr – denn der Tiroler Landesfürst, der seine Macht auszubauen und zu konsolidieren suchte, stand dadurch immer wieder in Auseinandersetzungen, zum Beispiel mit den Bischöfen von Brixen oder Trient. Im Süden ließ er die Neustadt durch das Brixner Tor sichern. Am Übergang zu Sterzings Altstadt – ja, auch eine solche gibt es! – wurde ein weiteres Stadttor errichtet, ein drittes schloss die Altstadt gegen Norden ab. 

Schmiedeeisernes Wirtshausschild
Foto: Johanna Bampi

Und die Altstadt?

Noch älter als die Neustadt ist sinnigerweise die Altstadt. Sie schließt sich im Norden an die Neustadt an und befand sich im Mittelalter außerhalb der vom Landesfürsten errichteten Stadtmauer.

Auch den südlichen Stadtteil, das Spital- und Kirchenviertel, ließ Meinhard II. im wahrsten Sinne des Wortes außen vor. Ja, dieser Stadtteil befand sich ebenfalls außerhalb der Stadtmauser. Noch heute bildet das malerische Ensemble mit der Stadtpfarrkirche Unsere Liebe Frau im Moos, dem ehemaligen Hospiz und späteren Deutschordenshaus und der barocken Elisabethkirche den südlichen Abschluss der Stadt. Grüne Wiesen geben einen unverbauten Blick auf dieses Schmuckstück frei, das auch innen mit dem Stadt- und Multschermuseum einiges zu bieten hat. 

15 km südlich des Brenners gelegen ist Sterzing heute die nördlichste Stadt Südtirols und Italiens – und weit mehr als nur ein Etappenort auf dem Weg in den Süden.


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Ein „Businesstrip“ vor 380 Jahren: Jesse Perkhofer reist nach Regensburg

Was für viele von uns inzwischen unvorstellbar war, wurde Mitte März zur Realität: Länder schlossen innerhalb der EU und auch für EU-Bürger ihre Grenzen. Inzwischen sind Lockerungen eingetreten und angekündigt worden, doch den bisherigen Status quo haben wir noch nicht erreicht. 

Jesse Perkhofers „Businesstrip“ der etwas anderen Art

Vor 380 Jahren machte sich der Domherr Jesse Perkhofer (1604–1681) als Gesandter des Brixner Fürstbischofs auf den Weg nach Regensburg. Kaiser Ferdinand III. hatte einen Reichstag einberufen, in dem auch der Brixner Fürstbischof Sitz und Stimme hatte.

Das Heilige Römische Reich deutscher Nation war kein Nationalstaat in heutigem Sinne, sondern ein Konstrukt, das vielen großen, kleinen und kleinsten Territorien, die von weltlichen und geistlichen Landesherren regiert wurden, rechtliche Rahmenbedingungen wie die Reichsgesetze oder die Reichsgerichtsbarkeit vorgab. Die quasi-selbständigen Landesherren erkannten den (gewählten) Kaiser als Reichsoberhaupt an und waren, zum Beispiel durch die Teilnahme an den Reichstagen, an der Reichspolitik durchaus beteiligt. 

Eine Reise über mehrere Grenzen 

Auf seinem Weg von Brixen nach Regensburg durchquerte also auch Jesse Perkhofer verschiedene Herrschaftsgebiete. Ausgehend vom Fürstentum Brixen über das habsburgische Tirol und das von den Wittelsbachern regierte Kurfürstentum Bayern erreichte er die freie Stadt Regensburg, die nur wenige Jahre zuvor unter den Kämpfen des immer noch nicht beendeten Dreißigjährigen Krieges enorm gelitten hatte. Wie sich die Grenzübergänge für Perkhofer im Detail gestalteten, ist nicht überliefert, doch war er wohl schon vor der Abreise mit allen notwendigen Papieren und Passierscheinen ausgestattet worden.

Eröffnung des Reichstages in Regensburg am 13. September 1640
Nennung des Brixner Gesandten Jesse Perkhofer als Nr. 18 in der Textlegende
Kupferstich von Matthäus Merian (1593–1650), erschienen 1643 im: Theatrum Europaeum
Foto: Johanna Bampi

Reisevorbereitungen

Überhaupt bedurfte eine solche Reise einer gewissen Vorbereitung. Genau genommen hätte der Fürstbischof selbst beim Reichstag dabei sein sollen. Doch war es durchaus üblich, dass er stattdessen einen Vertreter entsandte – nicht zuletzt aus Kostengründen. Hätte der Fürstbischof selbst die Reise angetreten, wäre sie mit höheren Ausgaben, unter anderem für Repräsentationszwecke in Regensburg, verbunden gewesen. 

So wurde also Jesse Perkhofer, Domherr in Brixen und Dekan in Flaurling, laut den Aufzeichnungen in den Hofratsprotokollen vom 25. Juni 1640 zum Gesandten bestimmt und das entsprechende Geld für seine Reise bereitgestellt. 

Fürstbischof Wilhelm von Welsperg wandte sich am 22. August 1640 in einem Schreiben an den Fürstbischof von Trient, Carlo Emanuele Madruzzo, und schlug darin eine gemeinsame Reise der Gesandten von Brixen und Trient nach Regensburg vor. Die beiden sollten mit einer Kutsche nach Mittenwald fahren, von dort ihre Reise auf dem Schiffsweg über die Isar nach Landshut fortsetzen und den letzten Abschnitt erneut mit einer Kutsche zurücklegen. Eine Abschrift des Schreibens ist in der Hofregistratur von Brixen erhalten. 

Detail aus dem Kupferstich von Merian mit Jesse Perkhofer als Rückenfigur Nr. 18 und Nennung in der Textlegende
Foto: Johanna Bampi

Geänderte Reisepläne

Doch es sollte ganz anders kommen. Der Gesandte aus Trient traf nicht rechtzeitig in Brixen ein. Perkhofer selbst war zuvor noch nach Flaurling in Tirol gefahren und trat die Reise nach Regensburg schließlich von dort aus an. Zunächst führte ihn der Flussweg über den Inn nach Rosenheim. Von dort brachte ihn eine Kutsche nach Regensburg. Die Reise dauerte insgesamt fünf Tage. 

In Regensburg bezog Perkhofer sein Quartier im Brixener Hof, einem stattlichen Gebäude im Besitz des Brixner Fürstbischofs, das ihm oder seinem Vertreter als Residenz diente.

Bald darauf folgte eine Audienz beim Kaiser. Jesse Perkhofer überreichte dabei Ferdinand III. das Vollmachtschreiben des Fürstbischofs, in dem sich dieser für sein Fernbleiben wegen „Laibsschwachheit“ entschuldigte. 

Die Eröffnung des Reichstages und die Verlesung der kaiserlichen Proposition im Alten Rathaus fand am 13. September 1640 statt. Selbstverständlich war unter den zahlreichen Fürsten und deren Gesandten auch Jesse Perkhofer anwesend. Als Nummer 18, eine der sitzenden Rückenfiguren links unten, ist er auf dem Kupferstich von Matthäus Merian vermerkt. Über die Fragen, die in Folge bei den Verhandlungen des Reichstages diskutiert wurden, schickte Perkhofer regelmäßig Bericht nach Brixen. 

Immer auf Achse

Schauplatz des Reichstages: Das Alte Rathaus
Foto: Benjamin Zwack

Jesse Perkhofer war auch nach seiner Rückkehr aus Regensburg viel auf Reisen. Nachdem er 1648 zum Weihbischof geweiht worden war, besuchte er in Folge zahlreiche, auch entlegene Orte in der Diözese Brixen. Viele der damals neu gebauten oder umgebauten Kirchen wurden von ihm geweiht, darunter die St. Anna Kirche in Sellrain / Rothenbrunn (1648), die Kirche Maria Heimsuchung in Ehrwald (1648), die Kirche Unsere Liebe von Loreto in Steinhaus (1650), die Karlskirche in Volders (1654), die Maria-Hilf-Kirche in Seis am Schlern (1657), die Maria-Hilf-Kirche in Zinggen / Brixen (1658), die Wallfahrtskirche von Heiligwasser bei Igls (1665) oder die Kirche St. Martin in Namlos (1666).

Perkhofer, geboren am 11. Oktober 1604, stammte aus einer bürgerlichen Brixener Kaufmannsfamilie, studierte in Ingolstadt, Rom und Perugia und wurde 1635 Domherr in Brixen. Er scheint als Eigentümer des heutigen Ansitzes Sternbach in Bruneck, des Adelssitzes Köstlan in Brixen und des Vorderriggerhofes in Neustift auf. Jesse Perkhofer starb am 31. Mai 1681 in Brixen. 

Sein Bruder Ludwig (geboren 1610), ehemaliger Bürgermeister der Stadt Brixen und Bergwerksbesitzer, wurde der Teufelsbeschwörung bezichtigt, sodass es ab 1681 zu einer gerichtlichen Untersuchung kam. Das jedoch ist eine ganz andere Geschichte… 


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Zwei Brüder in Mitterbad / Südtirol: Heinrich und Thomas Mann

Im Juli 1901 weilten zwei Brüder und bis dato wenig bekannte Schriftsteller im Mitterbad in Ulten zur Kur: Heinrich und Thomas Mann. Der jüngere von beiden – Thomas Mann – feiert am heutigen 6. Juni seinen 145. Geburtstag.

Heinrich und Thomas Mann zur Kur in Mitterbad

Thomas und Heinrich Mann reisten im Juli 1901 von München aus für einige Wochen in das Heilbad Mitterbad in Ulten. Magenbeschwerden und Zahnschmerzen sollen Thomas Mann zu diesem Schritt bewogen haben. In Mitterbad wirkte um die Jahrhundertwende der berühmte Kaltwasserarzt Dr. Christoph Hartung von Hartungen, der seine Patienten im Sommer in Ulten und im Winter in seinem Sanatorium in Riva am Gardasee betreute.

In einem Brief an seinen Freund Paul Ehrenberg beschrieb Thomas Mann die Reise: „Wir kamen abends in Bozen an, einer pittoresk gelegenen, heißen, kleinen Stadt, die voll von Fremden und daher ganz unterhaltend ist.“*

Weniger angetan war Thomas Mann allerdings von seinem Pferd, auf dessen Rücken er die letzten Kilometer Richtung Mitterbad zurücklegte: „Ich ritt eine Art Schlachtroß von sagenhaftem Körperbau, aber mit dem Temperament eines Faultiers…“* 

Der Alltag in Mitterbad

Das Bad verfügte um 1900 über mehrere Speise- und Tanzsäle, einen Schießstand, ein eigenes Kaffeehaus, 46 Zimmer, 23 Bäder, darunter ein Badhaus mit fünf marmornen Wannen I. Klasse und 13 hölzernen Wannen II. Klasse. Das Mitterbader Wasser ist vor allem eisenhaltig und enthält auch Spuren von Arsen und Schwefel und wurde unter anderem bei Magenkrankheiten, Gliederschmerzen und Nervenkrankheiten empfohlen.

„Es lebt sich gut und erholsam hier. Die Kuranstalt liegt ganz einsam inmitten einer wirklich prachtvollen Berglandschaft, ein Sturzbach verursacht drunten im Tal ein ungeheuer besänftigendes Geräusch, und man führt das rationellste und auffrischendste Leben, das sich denken läßt.“* (Thomas Mann an Paul Ehrenberg)

Die Wochen in Mitterbad bedeuteten keineswegs reinen Müßiggang. Thoma Mann schrieb hier die Novelle „Gladius Dei“. Sie wurde ein Jahr später, im Juli 1902, in der Wiener Zeitschrift „Die Zeit“ zum ersten Mal publiziert. 

Die „Buddenbrooks“ bringen den Durchbruch

Wenige Monate vor Manns Aufenthalt in Mitterbad war im Februar 1901 im S. Fischer Verlag sein erster Roman erschienen: die „Buddenbrooks“. Der Roman, der in seiner Vaterstadt Lübeck spielt und sich an seiner eigenen Familiengeschichte orientiert, fand zunächst wenig Beachtung und verkaufte sich in der ersten, zweibändigen Auflage nur schleppend. 1903 folgte eine zweite Auflage, die den seitenstarken Roman in einem Band bündelte und dem Autor Thomas Mann den Durchbruch brachte. 1929 sollte er für dieses erste unter seinen großen Werken den Nobelpreis für Literatur erhalten.

In diesem Sinne alles Gute, Thomas Mann!


* Die kurzen Zitate sind dem Buch „Im Rosengarten“ von Dietmar Grieser entnommen (1996, Verlag Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten – Wien). In dem Buch finden sich viele weitere interessante Erzählungen zu glücklichen und unglücklichen Begegnungen in Südtirol im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Wirklich eine Leseempfehlung!


Das Beitragsbild zeigt das Buddenbrookhaus in der Lübecker Mengstraße 4 (Foto: Benjamin Zwack).


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„40 Tage Quarantäne 1715“ erscheint in zwei Südtiroler Monatszeitschriften

Johanna Bampi Zwack verfasste mitten im italienischen Lockdown im Frühjahr 2020 einen Artikel, der viele Leserinnen und Leser bewegte: 1715 musste Kurprinz Karl Albrecht – ein Bayer – auf einer Italienreise für 40 Tage in Verona in Quarantäne. Damals natürlich nicht wegen Covid19, sondern wegen der Pest. Alle diplomatischen Interventionen brachten nicht den erwünschten Erfolg, er musste – ob er wollte oder nicht – die Zeit „absitzen“. Wie hätte er mit uns mitfühlen können.

Die „Clausa“ in ihrer Frühjahrsausgabe

Die Monatszeitschrift „Der Brixner“ widmete dieser Geschichte drei Druckseiten, die „Clausa“, das Pendant aus Klausen / Südtirol, tat es ihm gleich.

Das E-Paper des Brixners mit dem Artikel in voller Länge findet sich unter epaper.brixner.info. Johannas ursprünglichen Beitrag für KulturSüdtirol finden Sie hier.

Wir danken den Redaktionen ganz herzlich, vor allem Irene Dejaco und Oskar Zingerle, für die gute Zusammenarbeit.

Das Radlseehaus – Zur Geschichte einer Schutzhütte in den Sarntaler Alpen

Hoch über der Stadt Brixen, am östlichen Ausläufer der Sarntaler Alpen, liegt am Fuße der Königsangerspitze eingebettet in eine Mulde der sagenumwobene Radlsee. Nur wenige Schritte weiter steht etwas oberhalb davon das aus Steinen gemauerte Radlseehaus auf 2.284 m über dem Meeresspiegel. Ein Schutzhaus mit einer turbulenten Geschichte.

Der Ausblick vom Radlseehaus sucht seinesgleichen

Einladend ist die Lage des Raldsees, lohnend der Aufstieg, einmalig der Ausblick auf die gegenüberliegende Talseite: auf die Plose und den Peitlerkofel, auf die Villnösser Geisler, auf Lang- und Plattkofel und den Schlern sowie die dahinter liegenden Gletscherspitzen. An dieser Stelle musste ein Schutzhaus gebaut werden.

„An dem wildromantischen Radlsee…“
Die Anfänge des Radlseehauses (1911–1918)

„Das Radlseehaus, eine Schöpfung des Herrn A. Mayr in Brixen, ist ein sehr gefälliges Gebäude […]. Es enthält im Erdgeschoß ein Gastzimmer von 45 Geviertmeter Bodenfläche, eine Führerstube von 16 Geviertmeter, eine Küche und ein Gesindezimmer; im ersten Stock befinden sich 7 Zimmer mit je 2 Betten, im Giebel 2 Zimmer mit je 2 Betten und ein größerer Schlafraum mit 20 Matratzenlagern. […] Das Haus ist sehr gut bewirtschaftet und überaus wohnlich und anheimelnd. Vor dem Hause befindet sich eine Terrasse mit Tischen.“ So beschrieb Karl Felix Wolff das neu erbaute Radlseehaus in seinem Wanderführer von 1912.

Anton Mayr (1879–1918), Tapezierermeister aus Brixen, hatte 1911 mit dem Bau begonnen. Zusammen mit seiner Frau Maria geb. Unterthiner (1880–unbekannt), die acht Jahre lang das Rittner-Horn-Haus bewirtschaftet hatte und somit über die notwendige Erfahrung verfügte, wollte er das private Schutzhaus führen.

Bereits im Sommer 1912 war der aus Steinen gemauerte Bau so weit gediehen, dass er bewirtschaftet werden konnte. Die Innsbrucker Nachrichten kündigten im Juli 1912 eine baldige Eröffnung des Schutzhauses „an dem wildromantischen Radlsee“ an, und sogar der Pester Lloyd fieberte der Inbetriebnahme des „herrlichen Stützpunkt[es] in der großartigen Berglandschaft der östlichen Sarntaler Alpen“ entgegen.

Im Frühling 1913 öffneten die Wirtsleute trotz des Schneefalls bereits für die Osterfeiertage. Ostern fiel auf den besonders frühen Termin des 23. März. Der Weg zum Schutzhaus wurde mit einem Schneepflug gangbar gemacht. Am Abend des Karsamstags war ein Feuerwerk geplant. Knapp zwei Wochen später war das Radlseehaus fast schneefrei, und Temperaturen von 21° C in der Sonne lockten zahlreiche Wanderer in die Höhe, die sich, wie die Brixener Chronik berichtete, über den „Fortschritt der Bauarbeiten und die hübsche Inneneinrichtung der Hütte“ freuten.

Die feierliche Eröffnung des neu erbauten Schutzhauses fand im Oktober 1913 statt. Am 5. Oktober segnete Pater Rupert Außerer aus Brixen das Haus. Da es an diesem Sonntag in Strömen regnete, wurde die weltliche Eröffnungsfeier kurzfristig auf den darauffolgenden Sonntag verschoben. Anlässlich der Eröffnung brachte die Brixener Chronik eine Beschreibung des Baus: In der mit Zirbenholz vertäfelten Gaststube hing ein Marienbild des in Brixen lebenden Kunstmalers Franz Ferdinand Rizzi (1868–1952), das jedoch für die Kapelle bestimmt war. Das „Herrenstübel“, mit dem wohl die Stube der Bergführer gemeint ist, zierten Landschaftsmotive des Malers Kralinger. Auch die Küche war gut ausgestattet.

Aussicht vom Radlseehaus
Foto: Johanna Bampi

Das Radlseehaus fand von Anfang an regen Zuspruch bei den Bergfreunden. Auf markierten Wegen erreichten Wanderer das Schutzhaus damals in viereinhalb bis sechs Stunden von Brixen, Vahrn und Klausen oder von der Haltestelle Villnöß aus. Bereits vor dem Bau des Schutzhauses hatte es markierte Wanderwege zur Königsangerspitze und zum Radlsee gegeben, beispielsweise von Bad Schalders steil bergauf durch das Arzvenntal, von Brixen über Tils und über den Feichterhof oder von Verdings aus. 1913 legte Benjamin Valazza, Bergführer und Pächter der Klausner Hütte, den Weg von der Klausner Hütte zum Radlseehaus an, der „mit dem brillanten Blick auf die Dolomiten und die Gletscherberge [zu den] genußreichsten Touren in den Alpenregionen“ zählte.

Dennoch waren die Sarntaler Alpen damals im Vergleich zu anderen Berggebieten Tirols kaum erschlossen. Das neue Radlseehaus war somit nicht nur ein neues Ausflugsziel, sondern entwickelte sich auch zu einem wichtigen Stützpunkt für das beliebte Wandern von Hütte zu Hütte. Neben der benachbarten Klausner Hütte gab es in der weiteren Umgebung eine einfache Hütte beim Latzfonser Kreuz und das Rittner-Horn-Haus; die Flaggerschartenhütte sollte 1914 eröffnet werden.

Nach den Angaben im Wanderführer von K.F. Wolff waren die Klausner Hütte in zwei, das Latzfonser Kreuz in zweieinhalb, die Flaggerschartenhütte in vier und das Rittner-Horn-Haus in sechs Stunden zu erreichen. Der Aufstieg zur Königsangerspitze dauerte eine halbe Stunde, der Weg zu den Lorenzispitzen und auf die Kassianspitze eine bzw. drei Stunden. Nach Durnholz war mit viereinhalb Stunden zu rechnen.

Bergfreunde und Alpenvereinsmitglieder entstammten hauptsächlich dem Besitz- und Bildungsbürgertum. Auch Tourismustreibende erkannten das Potential, das die Erschließung der Bergwelt, die vom Deutschen und Oesterreichischen Alpenverein aktiv betrieben wurde, in sich barg. Den Arbeitern blieben sportliche Sommer- und Winterfreuden in der Bergwelt vorbehalten. Allein der von K.F. Wolff erwähnte Preis für eine Übernachtung im Radlseehaus von 4 Kronen bzw. 2 Kronen für Alpenvereins-Mitglieder wäre kaum bezahlbar gewesen. Ein Dienstmädchen verdiente damals ca. 300 Kronen jährlich, ein Facharbeiter konnte auf bis zu 1.500 Kronen kommen.

Auch für den florierenden Wintersport rund um Brixen war das Radlseehaus von Bedeutung. Es entwickelte sich zu einem beliebten Stützpunkt für Schitourengeher. Wie die benachbarte Klausner Hütte war es im Winter 1913/14 geöffnet. Die Zeitungen berichteten während der Wintermonate immer wieder über die Schneelage, über die Schiverhältnisse auf die Königsanger- und Radlseespitze und die Gangbarkeit der einzelnen Wege. Schlittschuhläufer frönten auf dem zugefrorenen Radlsee ihrem Vergnügen.

Die Sommersaison 1914 begann spätestens am 1. Mai. Doch mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 28. Juli 1914 gelangte der Bergtourismus ins Stocken. Nicht nur die Gäste blieben aus, sondern auch Hüttenwirte und Bergführer wurden an die Front gerufen, an Bergtouren war nicht zu denken. Am 31. August 1914 wurde das Radlseehaus geschlossen. Anders als zahlreiche Schutzhütten blieb es während der Kriegsjahre von Plünderungen und kriegsbedingten Zerstörungen weitgehend verschont. Weniger Glück hatte jedoch sein Erbauer und Besitzer Anton Mayr: Er fiel am 24. Oktober 1918 an der Dolomitenfront.

Tritt ein ins Radlseehaus! Sommer 2016
Foto: Johanna Bampi

„… die sich eben nach Licht und Höhensonne sehnen…“
Das Radlseehaus zwischen den Weltkriegen

Maria Mayr, Kriegswitwe, konzentrierte sich in der prekären wirtschaftlichen Situation nach Kriegsende ganz auf die Bewirtschaftung des Radlseehauses. In der ersten Sommersaison 1920 erfreute es sich – so wussten es die Bozner Nachrichten – dank günstigen Wetters und gemäßigter Preise zahlreicher Besucher.

In den 1920er und frühen 1930er Jahren bewirtschaftete Maria Mayr ihr Schutzhaus ausschließlich im Sommer, und zwar meistens von Anfang Juni bis Ende September. Den Gästen standen 18 Betten und ein gemeinsamer Schlafraum für zehn Personen zur Verfügung. Sonntags wurde in der Hauskapelle eine hl. Messe gelesen. Dank der Zweibettzimmer eignete sich das Radlseehaus auch für eine längere Sommerfrische und zur Höhenkur.

An Sommersonntagen schien die Stadt Brixen, wie die Südtiroler Landeszeitung berichtete, menschenleer zu sein, „denn an Bergfreunden zählt unsere Stadt viele Hunderte, die sich eben nach Licht und Höhensonne sehnen.“ Beliebte Wanderziele waren die Plose, das Schalderer Tal, die Fritz-Walde-Hütte (Vorgängerbau der Tiefrastenhütte) und das Radlseehaus.

Blumige Wanderberichte und Kurznotizen über gute und sehr gute Besucherzahlen in den lokalen Zeitungen konnten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Bergtourismus in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg nur langsam erholte und die Gästezahlen bei Weitem nicht an jene der Vorkriegsjahre heranreichten. Vor allem die Gäste aus dem Ausland blieben aus, und die italienischen Bergfreunde konzentrierten sich hauptsächlich auf die Dolomiten. Die Schutzhütten in anderen Bergregionen wurden fast ausschließlich von einheimischen Wanderern besucht.

Zudem waren unmittelbar nach dem Krieg viele Schutzhütten unbenutzbar, zerstört oder blieben über Jahre vom Militär besetzt, jene im Besitz ausländischer Sektionen des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins (DuOeAV) waren enteignet worden. Die Südtiroler Sektionen sagten sich, um der drohenden Enteignung der Schutzhäuser zu entgehen, nach und nach vom DuOeAV los und gründeten bis Anfang 1922 ihre eigenständigen lokalen Alpenvereine. Nach der faschistischen Machtübernahme erfolgte im Jahr 1923 die Auflösung sämtlicher alpiner Vereine in Südtirol – mit Ausnahme des Club Alpino Italiano – und die Enteignung der vereinseigenen Schutzhütten. Das Verbot deutscher Ortsnamen und deren Umbenennung in italienische, die ab 1923 erfolgte, betraf auch die Schutzhütten: Das Radlseehaus trug nun den Namen Rifugio Lago Rodella.

Glückliche Kühe
Foto: Johanna Bampi

In diesen Jahren des langsamen Aufschwungs wog ein Einbruch ins Radlseehaus im Winter 1921/22 besonders schwer. Die Diebe entwendeten sämtliche Federbetten und Pölster, Decken und sehr viel Geschirr. Einen zweiten Einbruch gab es im November 1932. Wieder wurden Decken entwendet und im Schutzhaus selbst beträchtlicher Sachschaden angerichtet.

Im August 1926 stellten zwei Burschen aus Brixen einen Rekord auf: Sie erklommen drei Berggipfel an einem Tag und legten dabei im Aufstieg 5.200 m Höhenunterschied zurück. Sie brachen nachts um ein Uhr in Brixen auf, erklommen zunächst die Karspitze, stiegen dann nach Schalders ab und wählten von dort den Weg zum Königsanger. Auf dem Rückweg nach Brixen machten sie auf der Radlseehütte Halt und besuchten um 10 Uhr die dortige Sonntagsmesse. Nach dem Mittagessen in Brixen bestiegen sie am Nachmittag noch die Plose. „Diese Leistung“, schloss die in Wien verlegte Reichspost in ihrer Meldung, „dürfte nicht sobald übertroffen werden.“

In den frühen 1930er Jahren beschränkte sich die Saison zunächst auf die Monate Juni bis September. 1934/35 war das Schutzhaus erstmals seit mehr als zwanzig Jahren auch im Winter geöffnet. Maria Mayr warb im Kleinanzeiger der Dolomiten mit „geheizte[n] Zimmer[n]“ und der „vorzügliche[n] und billige[n] Verpflegung“. Nach wie vor eigneten sich die Almen rund um den See bis hin zur Klausner Hütte vortrefflich für den Schisport.

Die Stimmungen eines Wandertages zum Radlsee im Juni 1936 fing Albuin Mair unter der Eggen in seiner Tourenbeschreibung für das Brixner Heimatbuch ein. Oben auf den Bergen seien alle Menschen freundlicher, ungezwungener. Man spielte und sang, lachte und scherzte und redete von „Olympiameistern und Goldmedaillen, von gelungenen Partien und Unglücksfällen, von Kameraden, die nachkommen werden, und solchen, die nicht dienstfrei bekamen. Alles junge, gesunde, kräftig gezeichnete Gesichter, berg- und wettergewöhnte Gestalten.“

Doch das Jahr 1939, das Europa den Beginn des Zweiten Weltkriegs und Südtirol die so genannte Option, also die Entscheidung zwischen einer Auswanderung ins Deutsche Reich oder dem Verbleib in Italien, brachte, war nicht mehr weit. Maria Mayr, die Radlseewirtin, entschied sich, wie der Großteil der Bevölkerung, im Dezember 1939 für Deutschland und verließ im Herbst 1940 ihre Heimat.

Das Radlseehaus ging in den Besitz der Ente per le Tre Venezie über. Es wurde vernachlässigt und fiel schließlich Brandstiftung zum Opfer. Bei Kriegsende 1945 stand vom einst stattlichen Schutzhaus nur mehr eine karge Ruine.

Blick auf den Radlsee und das gleichnamige Schutzhaus, Sommer 2016
Foto: Johanna Bampi

Zum Weiterlesen

Dieser Beitrag ist eine gekürzte Version meines Aufsatzes zur Geschichte des Radlseehauses (mit Literatur- und Quellenangabe), der 2016 von der Alpenverein-Sektion Brixen herausgegeben wurde. Wie es mit dem Radlseehaus nach dem Zweiten Weltkrieg weiterging, erfährst du im Buch:

Das Radlseehaus, hrsg. vom Alpenverein Südtirol – Sektion Brixen, koordiniert von Dominikus Stockner, mit einem Text von Johanna Bampi, Brixen 2016.


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