Mit Christophorus auf Reisen

Schon Hans Christian Andersen fielen sie auf seiner Reise von Italien nach Norden auf: die zahlreichen Heiligendarstellungen an Kirchen und Wohnhäusern in Tirol. Just vom heiligen Christophorus mit dem Jesuskind auf seinen Schultern, der in Tirol „enorm groß“ so manche Hauswand ziere, ließ der dänische Schriftsteller den Mond in seinem „Bilderbuch ohne Bilder“ erzählen. 

Der hl. Christophorus an Pilger- und Handelsrouten

In der Tat schmücken zahlreiche Kirchen von der Salurner Klause bis zum Brenner überlebensgroße Darstellungen dieses beliebten Heiligen und Patrons der Reisenden. Man findet ihn an Kirchen am Talboden und im Mittelgebirge sowie auf Pässen und Übergängen.

Der hl. Christophorus und das Christuskind
vermutlich von einem Maler aus der Werkstatt von Friedrich Pacher, 1490er Jahre
Detail aus einem Fresko an der Pfarrkirche St. Walburg in Antholz-Niedertal
Foto: Johanna Bampi

Ich zeige Dir heute ein Christophorusfresko, das Hans Christian Andersen bei seiner Durchreise gewiss nicht gesehen hat. Es befindet sich an der Pfarrkirche von Weitental im Pustertal und liegt dadurch abseits der klassischen Nord-Süd-Achse durch Südtirol. Ich habe dieses Fresko ausgesucht, weil der Maler besonders viele Details festgehalten hat, die Dir – und allen, die seit Jahrhunderten an dieser Malerei vorbei kommen – einiges über diesen Heiligen erzählen.

Der hl. Christophorus an der Pfarrkirche von Weitental

Mit großer Erzählfreude schildert der Maler mittig den „Riesen“ Christophorus, der bis zu den Knien im Wasser steht und Menschen von einem schroffen Ufer zum anderen trägt. Der Legende nach war Christophorus auf seiner Suche nach dem allergrößten Herrn – Christus – schließlich zu einem Einsiedler gelangt, der ihm diese Aufgabe anvertraut hatte. Der Einsiedler selbst ist rechts im Bild in einfacher Kleidung und mit einer Laterne in der Hand zu sehen. Hinter ihm erhebt sich eine Kirche. Die Landschaft links im Hintergrund zeigt eine befestigte Stadt und zwei Boote auf dem Fluss.

Der hl. Christophorus mit dem Christuskind
Fresko an der Pfarrkirche zum hl. Thomas in Weitental
Foto: Johanna Bampi

Eines Nachts trug Christophorus ein kleines Kind über das Wasser, eine nur vermeintlich leichte Last, die immer schwerer wurde. Das Kind gab sich schließlich dem Riesen als Christus zu erkennen und taufte ihn. Daraufhin erblühte der Stab von Christophorus und trug reiche Früchte wie auf der Malerei deutlich zu sehen ist. Das Kind mit seinem wehenden Mäntelchen ist anhand seiner segnenden Hand und dem Reichsapfel mit Kreuz als Christuskind zu erkennen.  

Auch Christophorus selbst ist kostbar gekleidet. Er trägt einen roten Mantel mit einem Hermelinkragen und eine Kette mit einem Kreuz um den Hals. An seinem geknoteten Gürtel führt er ein Messer und einen mit Quasten verzierten Beutel mit Proviant mit sich. Besonders auffallend ist die Krone auf seinem Kopf. Sie wird als Hinweis darauf gedeutet, dass Christophorus (der Christusträger) als einziger unter den Heiligen das Privileg genoss, Christus zu tragen. 

Musizierende Fabelwesen
Detail aus dem Christophorusfresko an der Pfarrkirche von Weitental
Foto: Johanna Bampi

Im Wasser des Flusses bewegt sich allerlei: neben Fischen, Krebsen und Muscheln siehst Du auch phantastische Meereswesen, die für Gefahren und Versuchungen stehen, sowie nixenartige Fabelwesen, die auf einer Flöte oder Trommel spielen oder Glöckchen in den Händen halten.

Im unteren linken Eck siehst Du eine kniende Figur mit ihrem Wappen. Dank des Wappens mit der Schere ist diese Person im Franziskanerhabit als Johannes Nas, Domprediger und späterer Weihbischof von Brixen, zu identifizieren. Er weilte 1577 anlässlich einer Visitation in Weitental und ließ das Fresko erneuern. Johannes Nas hatte zunächst eine Schneiderlehre absolviert und war danach in den Franziskanerorden eingetreten. Das erklärt auch sein ungewöhnliches Wappen mit einer Schere.

Nixenartiges Fabelwesen mit zwei Glöckchen
Detail aus dem Christophorusfresko an der Pfarrkirche von Weitental
Foto: Johanna Bampi

Die Angst vor dem plötzlichen Tod

Christophorus gilt nicht nur als Patron der Pilger und der Reisenden, sondern er hatte über Jahrhunderte auch als Patron gegen den plötzlichen Tod eine große Bedeutung im Glauben der Bevölkerung. Ein morgendlicher Blick auf die Heiligendarstellung, so die Vorstellung, würde einen zumindest für diesen Tag vor einem plötzlichen Tod schützen – nicht vor dem Sterben per se, aber vor einem unvorbereiteten Tod ohne Empfang der Sterbesakramente. 

Eine „enorm große“ Darstellung, wie es H.C. Andersen formulierte, an einer prominenten und gut einsehbaren Stelle, zum Beispiel eben an der Außenwand der lokalen Kirche, versprach somit einen gewissen Schutz.

Der hl. Christophorus mit dem Christuskind in einem mit reichen Bordüren geschmückten Feld
vermutlich von einem Bozner Maler, frühes 15. Jh.
St. Valentin oberhalb von Seis am Schlern
Foto: Johanna Bampi

Mit Christophorus unterwegs

Der hl. Christophorus, dessen Gedenktag auf den heutigen 24. Juli fällt, war bereits im Spätmittelalter ein umstrittener Heiliger, da sich seine Existenz historisch nicht belegen lässt. Dennoch gehört er wohl noch heute zu den populärsten Heiligen, gerade wegen seiner Funktion als Patron der Reisenden und jeglicher Verkehrsteilnehmer. So werden zum Beispiel in vielen katholischen Gemeinden am Christophorus-Sonntag private Fahrzeuge gesegnet. Auch die Rettungshubschrauber der ADAC Luftrettung sind im wahrsten Sinne des Wortes mit „Christoph“ unterwegs.


Zum Weiterlesen

Hans Christian Andersen, Bilderbuch ohne Bilder, hrsg. und aus dem Dänischen übersetzt von Ulrich Sonnenberg (= Insel-Bücherei Nr. 1319), Frankfurt am Main und Leipzig 2009 (Insel Verlag, ISBN 978-3-458-19319-7)

Karl Gruber: Kirchenkunst in Niedervintl, Obervintl, Weitental und Pfunders, Lana 1994 (Tappeiner Verlag, ISBN 88-7073-171-5)

Zur Legende des heiligen Christophorus: heiligenlexikon.de


Lust auf mehr? Hier eine Auswahl von Christophorusdarstellungen an Südtiroler Kirchen

Im Unterland, im Überetsch sowie in und um Bozen
Auer, Pfarrkirche zum hl. Petrus: Fresko aus dem Jahr 1516
Bozen, St. Johann im Dorfe: Fresko aus der zweiten Hälfte des 14. Jhs.; St. Martin in Kampill: Fresko aus dem Jahr 1570
Graun, Pfarrkirche zum hl. Georg: Fresko, um 1370, 1722 derb ausgebessert
Kaltern, St. Nikolaus: Fresko aus dem Jahr 1561; St. Anton: Fresko aus dem Jahr 1470
Neumarkt, Unsere Liebe Frau in der Vill: Fresko aus dem 17. Jh.
Tramin, Pfarrkirche zu den hll. Julitta und Quiricus: Fresko aus dem Ende des 14. Jhs.

Auf dem Ritten und im Schlerngebiet
Ritten, St. Nikolaus in Mittelberg: Fresko aus dem 15. Jh.
St. Valentin oberhalb von Seis am Schlern, Kirche St. Valentin: Fresko aus dem frühen 15. Jh. (siehe Foto)
Tisens bei Kastelruth, Kirche St. Nikolaus: Fresko aus dem Jahr 1791

Im Eisacktal
Afers bei Brixen, St. Jakob: Fresko aus dem 15. Jh.
Albions, Kirche St. Nikolaus: Fresko aus dem Jahr 1496
Milland bei Brixen, Wallfahrtskirche Maria am Sand: Fresko aus dem frühen 16. Jh.
Tils bei Brixen, Kirche St. Cyrill: Fresko aus dem frühen 15. Jh.
Tschötsch, Pfarrkirche zum hl. Johannes Baptist: Fresko aus dem frühen 16. Jh.
Villanders, Pfarrkirche zum hl. Stephan: Fresko aus dem Jahr 1569; Kirche St. Valentin: Fresko aus dem frühen 15. Jh.
Villnöß, St. Valentin in Pardell: Fresko aus dem frühen 15. Jh.
Verdings, Kirche zum hl. Valentin: Fresko aus der Mitte des 15. Jhs.

Im Pustertal
Meransen, Pfarrkirche zum hl. Jakobus: Fresko, Ende 15. Jh.
Weitental, Pfarrkirche zum hl. Thomas: Fresko (Foto siehe oben)
St. Sigmund, Pfarrkirche zum hl. Sigmund: Fresko aus dem Jahr 1519
Antholz-Niedertal, Pfarrkirche zur hl. Walburg: Fresko aus der zweiten Hälfte des 15. Jhs. (Foto siehe oben)


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An vielen Kirchen ist er zu sehen: der hl. Christophorus. Auch an der Pfarrkirche von Weitental (im Bild). Als Patron…

Gepostet von KulturSuedtirol.com – Menschen, Orte, Einblicke. am Freitag, 24. Juli 2020