Wenn der Kaiser zu Besuch kommt…

… dann steht ein ganzer Ort Kopf, in unserem Fall das kleine Bergdorf Spinges. Hier erinnert noch heute der„Kaiserstein“ an den Besuch des Herrschers im Jahr 1832. Dieser große Felsblock aus Granit lädt auf einer kleinen Lichtung im Wald zum Verweilen ein.

In Erinnerung an Kaiser Franz I. von Österreich

Der Kaiserstein trägt seinen Namen in Erinnerung an den Besuch des Kaisers im kleinen Bergdorf Spinges. Franz I. von Österreich bereiste damals zusammen mit seiner Gemahlin Karoline Auguste Tirol. Aus dem Pustertal kommend erreichte das Paar am 23. Juni 1832 Brixen, wo es mehrere Tage im Hotel Elephant wohnte und am 26. Juni zur Weiterreise nach Meran aufbrach.

Dass der Kaiser gerade dem Spinges einen Besuch abstattete, hing mit der Geschichte des Ortes zusammen, und zwar mit der so genannten Schlacht von Spinges (2. April 1797), bei der es den Inntaler Schützen unter Philipp von Wörndle gelungen war, die Napoleonischen Truppen unter General Barthélemy-Catherine Joubert zurückzudrängen.

Der Besuch des Kaisers

Der „Bote für Tirol und Vorarlberg“ bzw. der „Kaiserlich Königlich privilegirte Bothe von und für Tirol und Vorarlberg“, wie die Zeitung mit vollständigem Namen hieß, berichtete am 28. Juni 1832 ausführlich über den kaiserlichen Besuch in Spinges. Dass dabei ausschließlich patriotische Töne angestimmt wurden, ist nicht verwunderlich, wenn man an die strenge Zensur im Biedermeier denkt. 

„Am 25. [Juni 1832] um 9 Uhr Vormittags geruhten Sr. Majestät der Kaiser und Se. K. Hoheit der Erzherzog Vicekönig nach der Höhe von Spinges, von wo sich dem Auge ein herrlicher Anblick über das ganze freundliche, von Obsthainen bis zum Saume der Wälder umgrünte Thal von Brixen darbiethet, zu fahren. Dieser Ausflug brachte die lebhafteste Freude in die ganze Umgegend, denn die Höhe von Spinges ist im Laufe der Zeit ein Denkmal tirolischer Treue und Tapferkeit geworden. Wer kennt nicht das Gefecht der wackern Landesvertheidiger vom Eisack-, aus dem Inn- und dem Wippthale gegen das Jeubertsche Korps im Jahr 1797?“

Es herrschte Kaiserwetter, an jenem Montag im Juni 1832, und keine Wolke trübte den blauen Himmel. Die Kirchenglocken der umliegenden Dörfer läuteten, die kaiserlichen schwarzgelben Fahnen wehten im Wind. Die Schützen von Spinges, Rodeneck, Vals, Mühlbach, Weitental und Pfunders waren nach Spinges gekommen, umd dem Kaiser und seinem Bruder, dem Erzherzog Rainer von Österreich und Vizekönig von Lombardo-Venetien, besonders festlich zu empfangen. Ein eigens errichteter Pavillon sollte die Gäste vor Sonne, Regen oder Wind schützen. Dem Kaiser wurden drei Männer aus Spinges vorgestellt, die selbst in der Schlacht von 1792 gekämpft hatten und ihm von ihren Erlebnissen erzählten. 

Spinges

„Die Heiterkeit des Festes läßt sich nicht beschreiben“

Und sie gipfelte, laut dem „Boten für Tirol und Vorarlberg“, in lautem Jubelruf, der den Kaiser beim Abstieg begleitete. Die Musikkapelle von Mühlbach spielte und „die Schützen eilten hinunter, um ihren Kaiser in der Ebene noch einmal zu sehen.“

Der Kaiserstein erinnert noch heute an dieses für viele Menschen gewiss einmalige Erlebnis oder, mit den Worten des „Boten für Tirol und Vorarlberg“, ausgedrückt: „Dem späten Enkel die Feier dieser herzlichen Stunde aufzubewahren, ist in einem Felsenblock dort der Tag eingehauen worden, an welchem der Kaiser er diesen Berg bestieg und an welchem die tapferen Todten von Spinges ein solches ehrenvolles Gedächtniß erhielten.“

In der Zeit des Faschismus wurde die Gedenktafel entfernt – wie viele andere solcher Tafeln mit Bezug zur österreichischen Geschichte im ganzen Land. Die heutige Tafel wurde 1997 auf Initiative der Schützenkompanie von Spinges angebracht. 

Die Franzensfeste

„Der gute Kaiser Franz“ reiste am folgenden Tag mit seiner Gemahlin und seinem Gefolge nach Meran weiter. Unterhalb von Spinges wurde als Bollwerk gegen einen möglichen Feind aus dem Süden wenige Jahre später die Franzensfeste errichtet, die sowohl den Zugang Richtung Sterzing als auch ins Pustertal schützen sollte. Die Stelle hatte Erzherzog Johann, ein Bruder des Kaisers, bereits im Jahr 1801 ausgemacht. Erst 1833 wurde der Plan in die Tat umgesetzt, und die Festung nach fünf Jahren Bauzeit vollendet. 

Dieses Gedenkkreuz bei Spinges erinnert an die Tiroler Schützen, die in der Schlacht von 1792 gefallen sind.

Die Brüder des Kaisers

Einen stärkeren Bezug zu Tirol als der Kaiser hatten zwei seiner Brüder: Erzherzog Johann und Erzherzog Rainer, die beide in Südtirol, und zwar in Schenna bzw. Bozen begraben liegen. Wie es dazu kam, das ist wiederum eine ganz andere Geschichte. 


Zum Weiterlesen

Erinnerungsorte an kaiserliche Besuche gibt es in Südtirol mehrere, darunter jeweils einen Gedenkstein an den Besuch Kaiser Franz Josephs I., eines Enkels von Franz I., in Bruneck und in Freienfeld.

An den Besuch von Kaiser Franz Joseph I. in Bruneck im September 1886 erinnert ein Gedenkstein am „Kühbergl“. Andreas Oberhofer berichtet auf der Website des Stadtarchivs Bruneck über den mehrtägigen Kaiserbesuch: „Der Kaiser in Bruneck!“

Der Gedenkstein in Freienfeld erinnert an die Anwesenheit Kaiser Franz Josephs I., des Kronprinzen Rudolf und der Erzherzöge Albrecht, Karl Ludwig, Wilhelm, Rainer und Heinrich anlässlich eines so genannten Kaisermanövers im Jahr 1878.


Fotos: Johanna Bampi


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