Heilige am Wegesrand: Bildstöcke in Südtirol

Zum Gebet und zum Innehalten am Wegesrand, als Dank oder auch als Erinnerung an persönliche Schicksale wurden sie als Zeichen tiefer Volksfrömmigkeit errichtet: Bildstöcke. Manche reichen sogar ins Mittelalter zurück, viele entstanden im 17. und 18. Jahrhundert. Ihre Nischen sind meistens mit Malereien, Bildern oder Statuen geschmückt. Und jetzt laden sie auch Dich zu einer kleinen Pause ein…

Volksnahe Heilige und Marienbilder schmücken die Bildstöcke

Als Kind erlebte ich sie als Orientierungspunkte und wusste an den oft begangenen oder befahrenen Strecken genau, wo sich welches „Bildstöckl“ befindet. Dass Bildstöcke in ihren Nischen, oft zusätzlich hinter Gittern oder Fenstern, etwas verbargen, machte vermutlich als Kind ihren besonderen Reiz auf mich aus. Nur wenn ich stehen blieb, konnte ich hineinschauen. 

Eine frühe Kindheitserinnerung ist mit einem einfachen Bildstock auf der Straße von Seis am Schlern nach St. Oswald verbunden. Was mich mehr faszinierte – seine leuchtend blauen Farben oder seine Lage dicht unter einem hervorspringenden Porphyrfelsen – kann ich heute nicht mehr genau sagen. Er verbirgt in seinem Inneren übrigens einen Druck mit einem leidenden Christuskopf. 

Der Bildstock beim Karlottenkofl auf dem Weg von Seis nach St. Oswald

Der Bildstock „in Fall“

Ganz anders der Bildstock „in Fall“, der frei in einer Wiese an der schmalen Straße nach St. Oswald (Gemeinde Kastelruth) steht. Vor einigen Tagen habe ich ihn mir noch einmal ganz genau angesehen.

Der Bildstock ist sowohl außen als auch innen an allen Seiten bemalt. Durch die fast menschengroße Öffnung betrete ich einen kleinen Raum. 

Direkt vor mir ist Maria mit dem Jesuskind dargestellt. Liebevoll schmiegt sich das Kind an die Wange seiner Mutter. Die Art der Darstellung folgt dem berühmten Gnadenbild „Maria Hilf“ im Innsbrucker Dom. Dieses volksnahe Motiv ist in zahlreichen Kirchen, aber auch an Bildstöcken und als Fassadenmalerei im Alpenraum sehr verbreitet. 

Maria Hilf, Bildstock „in Fall“

Rechts von mir ist der hl. Joseph in andächtiger Haltung und mit einem blühenden Stab als sein Attribut, also sein „Erkennungszeichen“, dargestellt. Den Heiligen an der linken Seite, der ein Kruzifix verehrt, erkenne ich vor allem an der abgelegten Krone als den hl. Aloisius von Gonzaga. 

An der Außenseite flankieren die beiden Apostel Petrus und Paulus (rechts) den schmalen Eingang. Über dem Bogen ist, leider großteils zerstört, Gott Vater dargestellt. Dies erkenne ich einmal an den weißen Haaren, die das Gesicht umrahmen, und zum anderen am Dreieck (dem Symbol für Gott), das seinen Kopf hinterfängt. 

Der Bildstock „in Fall“ von vorne mit den hll. Petrus und Paulus (links bzw. rechts) und Gottvater (oben)

Auch für die Seitenwände wurden zwei äußerst beliebte Heilige ausgewählt. Der hl. Antonius von Padua ist als Mönch dargestellt: im Ordenskleid der Franziskaner und mit einer Tonsur, also einer runden kahl geschorenen Stelle auf dem Kopf. Das Jesuskind wendet sich ihm mit ausgestreckten Armen zu. 

Der hl. Johannes von Nepomuk betend vor dem Kruzifix. Links ist ein blauer Vorhand drapiert.

Der betende Heilige auf der anderen Seite ist an seiner Kleidung und am Sternenkranz als Johannes von Nepomuk zu erkennen. 

Die Rückseite des Bildstocks zeigt Christus am Kreuz – so groß, dass man Ihn auch beim schnellen Vorbeifahren erkennen kann. 

Warum gerade diese Heilige?

Alle genannten Heiligen werden in Tirol seit Jahrhunderten verehrt. Alle Namen waren beliebte und verbreitete Taufnamen. 

Josef wird in Tirol als Landespatron verehrt. Aloisius von Gonzaga gilt als Patron der Jugend, aber auch als Pestheiliger. Seine abgelegte Krone weist darauf hin, dass er als erstgeborener Sohn des Markgrafen von Castiglione auf seine Erbfolge verzichtet. 

Das Jesuskind wendet sich dem hl. Antonius von Padua zu.
Dieser trägt das Ordenskleid der Franziskaner und die für Mönche vorgeschriebene Tonsur.

Auch Antonius von Padua zählt zu den Pestheiligen und wird unter anderem bei Viehkrankheiten angerufen. Vielerorts gilt er auch als Unterstützer beim Wiederfinden von verlegten oder verlorenen Gegenständen. 

Johannes von Nepomuk soll gegen sämtliche Wassergefahren schützen.

Den beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus ist die hiesige Pfarrkirche von Kastelruth geweiht, was für die Wahl dieser beiden Heiligen eine Rolle gespielt haben mag. 

Die Rückseite des Bildstocks „in Fall“ mit Christus am Kreuz und dem hl. Antonius von Padua an der Seite

Ein respektvolles Innehalten vom Alltag

Nicht nur als Kind hätte mich dieser kleine Bildstock mit seinen vielen Malereien entzückt. Erbaut wurde er im Jahre 1680, wie eine Inschrift im Inneren verrät. Mit seinen einfachen Malereien steht er seit inzwischen 340 Jahren für die tiefe Frömmigkeit der ländlichen Bevölkerung. Ein guter Grund für ein respektvolles Innehalten. 


Abbildungsnachweis: Alle Fotos stammen von Johanna Bampi. Der Bildstock „in Fall“ wurde im Juli 2020 fotografiert, jener beim Karlottenkofl im Frühling 2010.


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Heilige am Wegesrand. Besonders zahlreich finden sich Bildstöcke im Schlerngebiet. Und meistens sind sie aufwändig…

Gepostet von KulturSuedtirol.com – Menschen, Orte, Einblicke. am Mittwoch, 29. Juli 2020