130 Jahre ist sie alt, die Wandelhalle in Meran. An der sonnigen Winterpromenade gelegen lädt dieses gebaute Stück Meraner Kurgeschichte noch heute zum Verweilen ein.
Ich sitze auf einer Bank in der Wandelhalle, lausche dem Rauschen der Passer und schaue einem Spatz zu. Hier kann man ganz herrlich einfach nichts tun. Oder man kann sich mit etwas Fantasie vorstellen, wie es hier vor 130 Jahren zuging, als sich die gut betuchten Kurgäste in der Wandelhalle trafen.
In den Frühlingsmonaten war die Wandelhalle tatsächlich ein Treffpunkt der Gäste, und zwar bereits früh am Morgen. Hier fand man sich zur Molkekur ein. Die etwas säuerlich schmeckende Molke wurde auf nüchternem Magen getrunken, am besten während gleichmäßigen „Wandelns“ im Freien. Ausgegeben wurde die Molke in der Trinkhalle am oberen Ende der Wandelhalle, die damals auch gleich mehrere Arten von gesundem Mineralwasser führte. Heute befindet sich dort ein Cafe.
Sehen und Gesehen-Werden
Ob während des „Wandelns“ Zeit für ein Gespräch blieb? Bestimmt. Für Unterhaltung sorgte außerdem das Kurorchester mit dem morgendlichen Molkenkurkonzert. Die Musiker spielten in der Mitte der Wandelhalle, der so genannten Ehrenhalle. Diese ist noch heute mit Büsten und Gedenktafeln geschmückt und erinnert somit an wichtige Männer, die für Merans Entwicklung zur Kurstadt bedeutsam waren. Die Büste in Zentrum zeigt Herzog Carl Theodor in Bayern (1839-1909), den Lieblingsbruder von Kaiserin Elisabeth. Er verbrachte viele Winter in der Passerstadt und praktizierte als Augenarzt. Die ärmeren Bevölkerungsschichten fanden bei ihm unentgeltlich Hilfe bei ihren Augenleiden.
Das Wetter ist wundervoll. Windstille, sonnige Tage locken unsere fremden Gäste ins Freie und ist besonders die neue Wandelhalle, in welcher täglich die Frühconcerte der Curkapelle stattfinden, der Sammelpunkt der Curwelt.
Pustertaler Bote, 13. November 1891.
Im Trend der Zeit
Als die Wandelhalle im Jahr 1891 errichtet wurde, lag Meran mit der Wahl einer Gusseisenkonstruktion absolut im Trend. Ganze 90 Meter ist sie lang und vier Meter breit. Gebaut wurde sie von der renommierten Firma Gridl aus Wien, die zuvor u.a. das Palmenhaus in Schloss Schönbrunn realisiert hatte. Der neuen Wandelhalle musste damals die ältere, aus Holz gebaute und nicht mehr zeitgemäße Halle weichen. Der Bau der ersten Halle in den 1850er Jahren war auf Widerstand gestoßen, da genau dieser Abschnitt des Passerufers zum Trocknen der Wäsche genutzt worden war.
Veduten aus Südtirol
Heute schmücken die Wandelhalle Landschaftsbilder aus Südtirol, gemalt von Franz Lenhart (1898-1977), Peter Demetz (1913-1977) und Rudolf Maria Complojer (1933-2020). Die farbenfrohen Gemälde sind nicht die ersten in der 130-jährigen Geschichte dieses besonderen Baus. Schon die Tiroler Künstler Edmund von Wörndle (1827-1906) und der wesentlich jüngere Hans Weber-Tyrol (1874-1967) hatten einst Bilder für die Wandelhalle geschaffen.
Fotos: Johanna Bampi
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